Kein Schafskäse ohne Lammfleisch

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Produktion Umwelt

Jedes Jahr kommen zehntausende Lämmer auf die Welt, damit ihre Mütter Milch für Schafs- und Ziegenkäse geben. Was passiert mit diesen? Wir haben darüber mit zwei Bauernfamilien gesprochen, die uns mit Lammfleisch beliefern. Auch der Wolf kam dabei zur Sprache.

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Engadiner-Schafe auf der Winterweide vom Biohof Schär in Brittnau, Kanton Aargau.

Mit Schafen und Ziegen ist es wie mit Kühen. Allesamt geben sie nur dann Milch, wenn sie Nachwuchs bekommen. Verglichen mit Kühen gibt es zwar nur wenige Milchschafe und -ziegen in der Schweiz, doch letztere bringen anders als Kühe oft gleich zwei Lämmer auf die Welt, bevor man sie melken kann.

Milchschafbestände der letzten 20 Jahre

Im Jahr 2020 gab es 14'500 Milchschafe in der Schweiz. Zum Vergleich: Im selben Jahr wurden rund 680'000 Kühe gemolken.

Die Art und Weise wie man mit diesem Nachwuchs umgeht, unterscheidet sich je nach Produzent:in grundlegend – obschon dreiviertel der Milchschafe in der Schweiz nach Bio-Richtlinien gehalten werden. Im traditionellen System, das sich in den letzten 20 Jahren durchgesetzt hat, lässt man das Lamm auf die Welt kommen und übergibt es möglichst schnell an einen spezialisierten Mäster. "Das sind in der Regel sehr gute, professionell geführte Betriebe", sagt Bruno Zähner, der gemeinsam mit seiner Partnerin Sabrina Otto auf dem Demeter-Hof Guggenbüel rund 250 Milchschafe hält. "Die Mäster haben aber ein Problem, das mitgeliefert wird mit den Lämmern."

Damit meint Zähner, dass in den Mastbetrieben Lämmer von vielen verschiedenen Höfen zusammenkommen. Jeder Hof hat seine eigenen Bakterien. Das heisst in den Mastbetrieben gibt es einen wilden Bakterienmix und das in einer sehr sensiblen Phase im Leben des Lamms. Das Immunsystem der Tiere befindet sich noch im Aufbau. Verluste und Krankheiten sind also vorprogrammiert.

Muttertierhaltung stellt Produzent:innen vor ein Dilemma

Bruno Zähner und Sabrina Otto waren bis vor drei Jahren ebenfalls noch in diesem System. "Für uns war plötzlich klar, dass das so nicht aufgeht", sagt Zähner. Das Paar entschloss sich, die Lämmer künftig selbst aufzuziehen und zu vermarkten. "Am Anfang nahmen wir die Lämmer wie gewohnt von den Müttern weg, damit wir die Mutterschafe wie üblich melken konnten."

Warum trennt man die Lämmer von den Müttern? "Wenn man sich die Milchleistungskurve anschaut, also wann das Schaf die meiste Milch gibt, ist das in den ersten fünf Wochen nach der Geburt", erklärt Zähner. "Damit man die Spitze der Milchleistung nutzen kann, nimmt man die Lämmer weg und melkt die Schafe."

Nach dem ersten Jahr mit Lämmern auf dem eigenen Hof änderte das Paar seine Strategie. Die Lämmer bleiben seither bei den Müttern und Zähner und Otto nehmen nur noch die Milch, die die Lämmer nicht brauchen. "Wir sehen, die Lämmer sind gesünder", sagt Zähner. Allerdings liefert der Betrieb nun nur noch halb so viel Milch ab, wie er eigentlich könnte.

Die Produzentenpreise für Schafsmilch seien zwar in einem angenehmen Bereich, sagt Zähner – je nach Abnehmer und Jahreszeit bis zu 3.20 Franken pro Kilo. "Aber wir merken es jeden Monat, es fehlt einfach die Hälfte. Wir haben dafür gesunde Lämmer und hoffen, dass wir über unsere Vermarktungskanäle mit dem Lammfleisch diese Lücke schliessen können."

Wirtschaftliche Alternative zum Schlachten fehlt

Beim Anblick der Jungtiere drängt sich die Frage auf: Muss man die Lämmer wirklich schlachten? Könnte man sie nicht aufziehen und vielleicht für Schafswolle halten?

"Ja, könnten wir schon", sagt Zähner. "Ich bekomme für ein Kilo Schafswolle, das ich produziere und verkaufe, im Bio-Bereich 1.50 Franken. Ein Schaf liefert etwa 3-4 Kilo Wolle pro Jahr. Mein Ertrag liegt also bei etwa 5 Franken." Mit dem Geld könne er gerade so den Schafscherer bezahlen, der pro Tier genau 5 Franken verlangt. Am Ende bleibt nichts übrig, um die Kosten zu decken geschweige denn ein Einkommen zu generieren.

Das bestätigt auch Matthias Schär, der auf dem Biohof Schär in Brittnau 90 Engadiner-Schafe für die Fleischproduktion hält. "Wolle rentiert sich grundsätzlich nicht. Mit meinem Wolleertrag kann ich nicht mal den Schafscherer bezahlen", sagt er. Schär verkauft ausser dem Fleisch seiner Tiere lediglich ganze Felle, wenn sie eine schöne Länge haben und nicht verfilzt sind, wie er sagt.

Bruno Zähner und Sabrina Otto kommen ohnehin schon an ihre Grenzen. "Unser Stall hat eigentlich zu wenig Platz. Fast jedes Tier bringt zwei Lämmer zur Welt. Durch unsere Entscheidung stehen jetzt 400 zusätzliche Tiere auf dem Hof." Die Lösung der beiden: Sobald die Lämmer nicht mehr auf den Schutz des Stalls angewiesen sind, kommen sie in die Wanderherde, die das Paar jeden Winter von einem Hirten durch die Region treiben lässt, und im Sommer auf ihre Alp im Pizolgebiet.

Bevor die Herde im Mai auf die Alp geht, werden die Mutterschafe trockengestellt, wie es im Fachjargon heisst. Man hört also auf, sie zu melken. Die Tiere haben dann den ganzen Sommer über Zeit, sich zu regenerieren. Die älteren Schafe lammen im Herbst erneut, die jüngeren im Februar oder März. So können Zähner und Otto von September bis Mai Milch produzieren und auch mehrmals pro Jahr Lammfleisch verkaufen.

In den Bergen droht Gefahr

Die Tiere auf die Alp zu bringen, ist aufwendig – sie müssen mit einem Tiertransporter hingefahren werden. Ausserdem droht Gefahr: Die Alp von Zähner und Otto befindet sich mitten in einem Gebiet, wo sich der Wolf ausgebreitet hat. Das macht das Ganze auch teuer.

Im Sommer 2021 verlor das Paar auf der Alp zwei Tiere an den Wolf. Es waren nur zwei, weil sie zehn Herdenschutzhunde und drei Hirten angestellt haben. Das kostet. Der Herdenschutz wird zwar zum Teil vom Bund finanziert, kostendeckend ist das aber nicht. "Er gibt ein bisschen was, damit wir ruhig sind. ", sagt Zähner.

Für die Ausbildung eines Herdenhundes zahlt der Bund zum Beispiel 8 Franken pro Tag. Weit kommt man damit nicht. Manchmal nerve er sich darüber, sagt Zähner. "Die Leute, die diese Gesetzli entwerfen, würden für 8 Franken genau nichts machen. Die laufen am Morgen nicht einmal ins Büro für 8 Franken." Immerhin die ständige Behirtung der Alp ist über die Direktzahlungen gedeckt. "Das Geld reicht uns, um den drei Hirten den Lohn zu zahlen", sagt Sabrina Otto.

Auf der Alp hat das Paar durch all das nur einen bescheidenen Gewinn. "Wir müssen eben alles zusammenrechnen", sagt Zähner. Durch die Alp könnten sie 30 Prozent mehr Tiere halten und so mehr Milch und mehr Fleisch produzieren. "Aber wenn du nur die einzelnen Punkte anschaust, geht es dann schnell nicht mehr auf."

Dem Wolf gegenüber ist Zähner dennoch positiv gegenüber eingestellt. "Für uns ist völlig klar, dass Grossraubtiere da sind und ihren Platz haben", sagt er. In den meisten Fällen sei das auch gut so. "Wenn man mit dem Förster redet, ist es dringend notwendig, dass es einen Predator gibt, der dem Hirsch entgegenwirkt. Wir müssen ihm aber Spielregeln zeigen, die er einhalten muss. Wenn er sie nicht an sie hält, sollte man pragmatisch sein und ihn auch entfernen dürfen."

Matthias Schär sieht diesen Punkt schon gekommen. "Am Anfang war ich immer der Meinung, dass man den Wolf einfach Wolf sein lassen kann. Es ist nicht so ein Problem, wenn die Herde gut geschützt ist", sagt er. "Aber mittlerweile hat es ein Ausmass angenommen, das gezielte Regulierung nötig macht."

Auf der Alp sterben Tiere nicht nur durch den Wolf

Aus Zähners Sicht wird die Wolfsdebatte zu einseitig geführt. "Die Bauern zählen auf, wie viele Tiere sie durch den Wolf verloren haben. 800, 900 oder 1000 Tiere schweizweit. Was man in der ganzen Debatte vergisst, ist die natürliche Mortalität bei den Schafen", sagt Zähner.

Wenn er im Sommer 1300 Schafe auf einer Alp habe, dann würden 10 oder 15 Tiere sterben, sagt der Demeter-Bauer. Weil sie einen Herzinfarkt haben, weil sie abstürzen, weil ein Stein von oben sie erschlägt. "Das was der Wolf an Verlust generiert, geht über diese natürliche Mortalität hinaus und das nervt natürlich. Umso mehr, wenn es einem von extern vorgehalten wird. Da kann man sich dann als Bauer so richtig schön aufregen", sagt Zähner.

Dennoch sieht auch Zähner die Lösung nicht allein im Herdenschutz und die Verantwortung damit auch nicht allein bei den Produzent:innen. "Wenn ich einen Wolf habe, der systematisch anfängt unsere Herdenschutzmassnahmen zu umgehen – und das wird passieren, denn sie sind sehr schlau – dann muss ich mir die Frage stellen, ob wir die Nutztierhaltung aufgeben wollen oder ob wir in der Population der Wölfe eine Ordnung schaffen, die eine Koexistenz ermöglicht. Diese Frage muss die Politik beantworten."

Bruno Zähner und Sabrina Otto wie auch Matthias Schär glauben an das, was sie tun. Daran, dass es ihre Aufgabe, ihr Job ist, die Menschen mit gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen und sicherzustellen, dass es den Tieren gut geht. Für das stehen sie jeden Morgen auf, arbeiten 55 Stunden pro Woche und zahlen sich selbst meist einen viel zu tiefen Lohn aus, damit die Rechnung am Ende irgendwie aufgeht.

Das Lammfleisch vom Biohof Schär und vom Demeterhof Guggenbüel finden Sie in unserem Onlineshop.

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Verwendete Quellen

Bio-Schafmilch: Einsicht in Aussichten, UFA-Revue https://www.ufarevue.ch/nutztiere/bio-schafmilchproduktion (abgerufen am 28.02.2022)

Statistiken zu Land- und Forstwirtschaf, BFS https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/land-forstwirtschaft/landwirtschaft.assetdetail.12907133.html (abgerufen am 28.02.2022)

Agrarbericht, https://www.agrarbericht.ch/de (abgerufen am 28.02.2002)

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