Dattelanbau: Wird aus der Krise eine Chance für die Natur?

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Produktion Umwelt Einblicke

Die Dattelproduktion in Tunesien rutschte 2022 in eine grosse Krise. Die Gründe waren vielschichtig und reichen von Klimawandel bis zu panischem Einsatz von Pestiziden. Es gibt aber ein Happy End für die Natur.

Dattelernte in der Oase Hazoua

Dattelernte in der Oase Hazoua

Wer zwischen Oktober und Dezember in der Zentralregion Tunesiens am Rande der Wüste unterwegs ist, sieht sie überall: Die Datteln. Jeden Tag werden sie geerntet, jeden Tag in allen Formen, Farben und Grössen auf den Märkten feilgeboten. Für viele Menschen in der mittleren Wüstenregion dreht sich das ganze Leben um die Dattel, die auch kulturell eine wichtige Rolle spielt. Ohne die Frucht würde nicht nur ein köstliches Lebensmittel, sondern auch eine der wichtigsten Einkommensquellen des Landes fehlen.

Je nachdem welche Statistik man betrachtet, rangiert Tunesien mitunter auf dem dritten Platz der weltgrössten Dattelexporteure. So zum Beispiel im Jahr 2021, als das kleine Land mit rund 214 Millionen Tonnen Datteln 10.6 Prozent der Weltproduktion stemmte. Auch ausserhalb der Landesgrenzen ist die tunesische Dattel also begehrt.

2022 zeigte sich, dass diese Position keinesfalls selbstverständlich ist. Die Ernte war in dem Jahr so schlecht wie noch nie. Das bekamen auch wir bei gebana direkt zu spüren. Unser langjähriger Partner South Organic – ehemals gebana Maghreb – hatte Mühe, die erwarteten Mengen zu liefern. Und nicht alles, was ankam, war verkaufbar.

Wie konnte das passieren?

Die Region rund um die Stadt Kébili war im Sommer von einer ungewöhnlich langen und intensiven Dürre betroffen. Sie führte zu einer massiven Vermehrung von Milben in den Datteloasen der ganzen Region sowie ausserhalb Tunesiens im benachbarten Algerien.

Das allein war bereits ein grosses Problem. Doch es kam noch schlimmer.

Angesichts der Plage gerieten viele Bauernfamilien in Panik und griffen nach Pestiziden, um ihre Dattelpalmen zu behandeln. Was durchaus verständlich ist. Die Palmen sind oftmals seit Generationen im Besitz der Familie und eine wichtige Einnahmequelle.

Verwendeten auch die Bauernfamilien, die uns beliefern Pestizide? Nein. South Organic arbeitet ausschliesslich mit bio-zertifizierten Produzent:innen zusammen. Diese dürfen keine chemisch-synthetischen Pestizide verwenden.

Die Datteloasen in der Region um Kébili sind jedoch ein wildes Geflecht aus kleinen Einzelparzellen. Die 227 Bauernfamilien, mit denen South Organic zusammenarbeitet, bewirtschaften durchschnittlich Flächen von gerade mal 1 Hektar pro Familie.

Die Chance, dass mindestens ein Parzellennachbar nicht biologisch produziert, ist bei all diesen Familien hoch. Wenn der eine Nachbar dann bei einem aktiven Befall Pestizide sprüht und dabei unvorsichtig vorgeht, reicht wenig Wind aus, um dieses Gift bis and den Rand der Bio-Fläche zu tragen. Und genau das ist im Sommer 2022 passiert.

Das wurde klar, als wir die Datteln analysierten: Immer wieder fanden wir punktuelle Kontaminationen. Die Pestizidspuren waren zwar meist nur gering, führten jjedoch dazu, dass South Organic mehrere Chargen nicht als Bio verkaufen konnte. Insbesondere für South Organic waren die finanziellen Folgen derart massiv, dass die Firma nur dank ihrer Reserven überlebte. Einen weiteren Rückschlag kann das Unternehmen nicht verkraften.

Aus Not wird eine Chance für die Natur

Die Unternehmen des Sektors wandten sich daraufhin an die nationalen Behörden und baten um Unterstützung im Kampf gegen den Pestizideinsatz. Um die Exporteure von Bio-Datteln zu unterstützen, empfahl die Regierung den ausschliesslichen Einsatz von Bio-Insektiziden auch für konventionelle Anbauflächen, subventionierte deren Kauf und leistete Aufklärungsarbeit in der Branche. South Organic führte seinerseits ein strenges Präventions- und Kontrollprogramm ein. Dies soll verhindern, dass sich solche Kontaminationsfälle wiederholen.

Geleitet von Khawla Kriden, Verantwortliche der Abteilung für interne Kontrolle, half das Unternehmen in diesem Jahr den Bauernfamilien, die Behandlung der Felder mit natürlichen, für den ökologischen Landbau zugelassenen Pestiziden wie Schwefel, Neem und Borax zu intensivieren. "Unsere Experten – Special unit Al Wahaat genannt – planten und begleiteten zwei Phasen der vorbeugenden Behandlung im April und Juni sowie eine kurative Behandlung im August in den Fällen, in jenen die Palmen dennoch Milben beherbergten", sagt Kriden.

Auch die Nachbarn der South-Organic-Produzent:innen profitierten von diesem Programm. South Organic verteilte kostenlos biologische Pestizide an die Nachbar:innen und leistete Aufklärungsarbeit über die Herausforderungen der biologischen Landwirtschaft.

"Dieses Jahr haben wir sehr früh mit den Arbeiten zur Optimierung der Ernte und zur Vermeidung von Milben begonnen: Bereits im Januar, um die Parzellen vorzubereiten und zu behandeln", sagt Khawla Kriden. "Wir haben die Schulung der Landwirte und die regelmässige Überwachung und Kontrolle der Massnahmen übernommen. Alles wurde minutiös dokumentiert, um den Schädlingen keine Chance zu geben."

Khawla Kriden, Leiterin der Abteilung für interne Kontrolle

Khawla Kriden, Leiterin der Abteilung für interne Kontrolle

Das Klima gewährt eine Verschnaufpause

Klimatische Unwägbarkeiten sind ein Faktor, auf den die tunesische Familienlandwirtschaft keinen Einfluss hat. Die Bauern sind den klimatischen Bedingungen unterworfen und sie werden zunehmen unberechenbarer. Während das Jahr 2022 sich als besonders streng erwies, gewährte 2023 aber die dringend nötige Verschnaufpause mit milderen Temperaturen im Frühjahr.

In Kombination mit dem günstigen Klima trugen die Vorsorgemassnahmen von South Organic wortwörtlich Früchte: Die Bäume sind gesund und die Oasen strotzen vor saftigen Datteln, wie wir bei unserem Besuch im Oktober feststellen konnten.
Und so wurde aus der Krise eine Chance für einen nachhaltigeren Anbau. Das Jahr 2022 schreckte die gesamte Region, ja die ganze für Tunesien so wichtige Branche auf.

South Organic hat diese heisse Phase überwunden und trotz finanzieller Not in eine Chance verwandelt. Das Unternehmen schärfte das Umweltbewusstsein in der Branche und brachte konventionelle Dattelbauern mit nachhaltigen Anbaumethoden in Kontakt.

"Die Frage bleibt, ob die Nachbarn unserer Bauernfamilien langfristig weiterhin Bio-Pestizide verwenden werden. Es braucht Zeit, um Mentalitäten zu ändern, insbesondere in einer Kultur, die zutiefst von Traditionen geprägt ist, wie es im Dattelsektor der Fall ist", sagt Fathia Rejeb, Qualitätsmanagerin bei South Organic. Doch sie und ihr Team bleiben dran.

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